Die frühesten schriftlichen Aufzeichnungen über Wing Chun datieren aus dem Jahr 1854, belegt durch Schriftforschungen des Foshan-Museums und der Chin Woo Athletics Association of Foshan.
Das heutige moderne bzw. populäre Wing Chun mit seinen charakteristischen sechs Formen und der “Chi-Sao-Übung” (黐手, chǐshǒu) bzw. “Poon-Sao-Übung” (盤手 / 盘手, pánshǒu) geht aktuellen Erkenntnissen nach[12] auf die Studien des Lehrerkreises um Yuen Kay Shan (阮奇山, Ruǎn Qíshān) und Yip Man (葉問 / 叶问, Yè Wèn) zurück.
Das traditionelle Wing Chun geht nach der mündlichen Überlieferung von Großmeister Yip Man und anderen Quellen zurück auf das untergegangene Süd-Shaolin-Kloster in der chinesischen Provinz Fujian, welches von den Qing-Truppen gegen Ende der Ming-Dynastie zerstört wurde. Die letzten buddhistischen Vertreter des traditionellen Wing Chuns waren der Süd-Shaolin-Abt Chi Sim und die Äbtissin Ng Mui, welche flüchteten und dann das Wing-Chun-System an Yim Wing Chun weitergaben. Die Mönchslinie des Wing Chuns aus Süd-Shaolin ging mit der Zerstörung des Klosters unter.[13] Chi Sim und Ng Mui gehörten zu den legendären Persönlichkeiten der „Fünf Ältesten des Shaolins“ (少林五老, Shàolín wǔ lǎo, Jyutping Siu3lam4 ng5 lou5), die zur Regierungszeit Qianlongs (1735–1796) gelebt haben soll.
Die heute weltweit bekanntesten Stilrichtung des Wing Chuns gehen auf den Kampfkünstler Yip Man (1893–1972) zurück. Der historisch erste Verband des Wing Chuns nach Yip Man ist die offizielle Ving Tsun Athletic Assosiation (VTAA), dessen Gründung 1967 auf Yip Man und sieben seiner damaligen Schüler zurückgeht. Der Sitz bzw. die Hauptgeschäftsstelle des Verbands VTAA befindet sich seit dieser Zeit auf der Nullah Road (水渠道) nahe der Hauptverkehrsader Nathan Road auf der Halbinsel Kowloon in Hongkong.[5] Zu dieser Zeit fand in Hongkong die erste öffentliche Demonstration des Wing Chun-Kampfsystems nach Yip Man in einem offiziellen Schaukampf im Winter 1969 in der damaligen Baptist College (heute Hong Kong Baptist University) statt. Leung Ting, ein Schüler Yip Mans, lud seinen Meister und einige namhafte Vertreter der damaligen Kampfkunstszene ins College ein und führte vor dem Fachpublikum die Schaukämpfe durch.
Die bekannteste Wing Chun-Stilrichtungen ist der Yip-Man-Stil (englisch Ip Man Style), dessen Hauptlinie heute durch seine Söhne Yip Chun und Yip Ching (auch Ip Chun und Ip Ching) und Schüler der Ving Tsun Athletic Assosiation (VTAA) vertreten werden. Als Wichtige Unter-Stile des Yip-Man-Stil gelten aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung:
Weitere bekannte Stile sind:
Zu den weniger bekannten Stilen sind zu zählen:
Ausserdem gibt es noch einige weitere Unter- oder Hybridstile dieser Stilrichtungen. Die umfangreichste Dokumentation liegt derzeit zum Yip-Man-Stil und dem Pan-Nam-Stil vor.
Der typische Grundstand oder die Hauptposition „Mabou“ (馬步 / 马步, mǎbù, Jyutping maa5bou6, englisch Horse stance) im Wing Chun heißt „Yeejee Kimyeung Ma“ (二字拑羊馬 / 二字拑羊马, èrzì qiányángmǎ, Jyutping ji6zi6 kim4joeng4maa5), im „Wing Tsun“ auch „IRAS“ genannt. In diesem Stand werden die Formen ausgeführt oder auch Chi-Sao-Übungen trainiert. Weiterhin bildet er das Fundament für fortgeschrittene Techniken.
Ein typisches Element einiger Wing-Chun-Stile ist der Kettenfauststoß. Je nach angegriffenem Körperteil und Intention des Kämpfers werden Fauststöße, Fingerstiche, Handkantenschläge oder Hammerfäuste bei Schlägen eingesetzt.
Die Kraft des Gegners wird durch Schritttechniken wie Wendungen neutralisiert und gegen ihn verwendet (Gleichzeitigkeit von Angriff und Abwehr): Der Angriff ist die Verteidigung. Ein Schlag des Gegners wird so beispielsweise durch einen konternden Gegenschlag abgewehrt.
Der Stil ist weiterhin durch seine Trittarbeit charakterisiert, die nur sehr wenige Grundtritte umfasst und mit der im Allgemeinen nur niedrige Ziele bis etwa zur Höhe der Hüfte angegriffen werden.
Wing Chun war ursprünglich eine Kampfkunst ohne Waffen.
Im frühen 19. Jahrhundert erweiterten Wong Wah Bo (Schüler von Leung Bok Chow, dem Ehemann der Stilgründerin Yim Wing Chun) und Leung Yee Tai – Schüler des auf der “Roten Dschunke” (紅船戲班 / 红船戏班, hóngchuán xìbān, Jyutping hung4syun4 hei3baan1 – „Rote Dschunke Operntruppe“) der kantonesischen Operntruppe untergetauchten Süd-Shaolin-Abts Chi Sim – den Kung-Fu-Stil um zwei Waffenformen:
Die Übungen und Formen wurden den Prinzipien des Wing Chuns angepasst.
Historische Dokumente hierzu sind nicht überliefert. Wong Wah Bo wird in vielen anderen Entstehungslegenden anderer Stile (z. B. Hung Kuen) erwähnt. Seine Existenz ist weder belegt noch widerlegt. Er spielt in nahezu allen Wing-Chun-Legenden eine Schlüsselrolle.
Die ersten Grundlagen des Wing Chuns werden zumeist in kurzen Formen (San Sao, 散手, sànshǒu – „wörtlich Freihand, sinngemäß Freikampf“) oder langen Formen (To Lo, 套路, tàolù) erlernt und geübt. Formen sind festgelegte Abfolgen von Techniken, die jeder Schüler alleine durchführt. Die Formen des Wing Chuns sind – vergleiche mit dem japanischen Kata (jap. かた, Kanji 形, 型) oder dem koreanischen Hyeong (kor. 형, Hanja 形) – wie ein „Notizbuch“ zur Vermittlung von Theorien und Techniken zu verstehen und nicht als ein ritualisierter Kampf gegen imaginäre Gegner. Reihenfolge, Anzahl und Art der Formen ist in den verschiedenen Wing-Chun-Stilen oftmals sehr unterschiedlich. In einigen Wing-Chun-Stilen werden weniger als die nachstehend aufgeführten sechs bekanntesten Formen praktiziert, in anderen werden mehr oder gänzlich andere Formen unterrichtet.
Die bekanntesten Formen sind:
Ein wesentlicher Bestandteil der meisten Wing-Chun-Stile ist das Chi Sao (Klebende Hände), welches auf die unterschiedlichsten Arten praktiziert werden kann. Das Chi Sao dient der Steigerung des Tastsinns und der Verbesserung der "taktilen" Reflexe. In der in Europa am meisten verbreiteten Stilrichtung, dem Leung Ting Stil, wird das Chi Sao als Partnerformen, sogenannten "Sektionen", vermittelt.
Qelle: Wikipedia.de